Gendergerechtigkeit in der Film- und Medienbranche | Forderungskatalog zur Bundestagswahl
PRÄAMBEL
In der deutschen Film- und Fernsehbranche arbeiten in den meisten kreativen Schlüsselpositionen mehr Männer als Frauen, zu dem Schluss kommen die FFA Studie Gender und Film und die Studie von ARD und ZDF aus dem Jahr 2017. So führen z.B. in nur 22% aller Kinofilme Frauen Regie, bei den TV-Filmen liegt die Regie – Quote von Frauen sogar nur bei 14%. Dem gegenüber stehen 44% Regie-Absolventinnen an den Filmhochschulen. Ähnlich sehen die Verhältnisse im Bereich Drehbuch (48% Absolventinnen gegenüber 23% Autorinnen Kinofilm und 23% Autorinnen TV-Film) und Produktion aus (40% Absolventinnen gegenüber 14 % Produktion Kino und 32% Produktion TV). Auch vor der Kamera kommen Frauen weniger vor als Männer. Folglich existieren branchenkulturelle Barrieren, die sich stärker auf die Berufschancen von Frauen auswirken.
Im Sinne von Artikel 3 des Grundgesetztes der Bundesrepublik Deutschland fordern wir für die Film- und Medienbranche, dass der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt.
1.
Quote
Die öffentlichen Filmförderungen sowie die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sollen ihre Budgets bzw. Aufträge mit einer Quote von mindestens 40% und langfristig 50% an Projekte mit Frauen in folgenden kreativen Schlüsselpositionen vergeben: Drehbuch, Regie, Produktion. Die vorgeschlagene Soll-Bestimmung ist verbindlich, lässt aber in begründeten Fällen Abweichungen zu. Diese müssen öffentlich transparent nachvollziehbar begründet werden.
2.
Weitere Steuerungs-Instrumente
Die Filmförderungen sowie die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind verpflichtet, Strategien und Instrumente zu entwickeln, um den Anteil der Einreichungen von Frauen zu erhöhen. Das gilt besonders für den Bereich der Spiel- und Dokumentarfilme mit mittlerem (2-5 Mio. €) und hohem (über 5 Mio. €) Budget.
Die dazu notwendigen Schritte werden gemeinsam erarbeitet. Denkbar ist neben der Quote z.B. ein Punktesystem, wie es beim österreichischen Filminstitut praktiziert wird: Wer Frauen als „Head of Departments“ der unterschiedlichen Gewerke besetzt, kann Punkte sammeln, die beim nächsten Filmprojekt bis zu 30.000€ zusätzlicher Förderung wert sein können. Grundsätzlich ist es hierbei sinnvoll und hilfreich, die Fördersituation in anderen europäischen Ländern zu betrachten.
3.
Gendermonitoring
Jede Filmförderinstitution sowie die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind verpflichtet, nach jeder Kommissionssitzung oder Intendant*innenentscheidung folgende Informationen zu veröffentlichen:
a) Anzahl der eingereichten und der geförderten Projekte mit Angabe des Geschlechts der beteiligten Filmschaffenden
b) beantragte und bewilligte Fördersummen, bzw. Produktionssummen
c) Die Kriterien, nach denen Förderentscheidungen und Aufträge vergeben werden, sind transparent zu machen (z.B. durch schriftliche Stellungnahmen).
d) Anteil an weiblich und männlich besetzten Rollen und Aufteilung des Gesamt-Budgets der Schauspielgagen zwischen Schauspieler*innen
Ein entsprechender Jahresbericht soll zeitnah zum neuen Jahr veröffentlicht werden.
4.
Gendergerechtigkeit bei den Gewerken
Die Filmförderungen sowie die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind verpflichtet, neben der Erhöhung des Frauenanteils bei den Regieaufträgen darauf zu achten, dass auch in den übrigen Gewerken der Frauenanteil gesteigert wird (z.B. Produktion, Buch, Kamera, Ton, Schnitt, Masken-, Kostüm-und Szenenbild, Filmmusik und Cast).
5.
Geschlechtergerechte Besetzung der Gremien
Jede Filmförderinstitution sowie die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind verpflichtet, ihre Aufsichts- und Beratungsgremien geschlechtergerecht 50:50 zu besetzen. Die Besetzung der Rundfunkräte sollte außerdem die gesellschaftlich relevanten Verbände und Gruppierungen spiegeln. Die geschlechtergerechte Besetzung des Rundfunkrates und aller Gremien muss im Rundfunkstaatsvertrag festgeschrieben werden.
6.
Gleichstellungsbeauftragte für Gremien der Filmförderungen und für die Auftragsvergabe in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten
Die Filmförderungen sowie die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind verpflichtet, Gleichstellungsbeauftragte zu installieren, um den Ausbau und die Einhaltung von Gendergerechtigkeit bei der Filmfinanzierung und der Verteilung von Arbeitsaufträgen für TV-Filme und Serien zu beobachten, zu unterstützen und zu beraten.
7.
Sicherung des Filmerbes von Frauen – Überarbeitung der 500er-Liste
Seit 2012 wird das deutsche Filmerbe ansatzweise digital gesichert. Die sogenannte „500er-Liste“ der filmhistorisch wertvollen und förderungswürdigen Filme des Deutschen Kinematheksverbundes enthält Titel von wichtigen deutschen Filmen, die zur Digitalisierung anstehen. Die Anzahl der Filme von Frauen ist dabei vergleichsweise (ca. 30 Regisseur*innen mit rund 50 Filmen) gering und entspricht nicht ihrer gesellschaftlichen und historischen Bedeutung. So werden z.B. die Filme von Regisseurinnen aus den Aufbruchsjahren des deutschen Kinos der 1960er und 1970er Jahre kaum berücksichtigt. Ihre Werke müssen auf die Listen des zu sichernden Filmerbes gesetzt werden, damit sie sowohl dem breiten Publikum als auch den Filmstudent*innen zugänglich sind.
Die Kriterien für die Digitalisierung eines Films müssen transparent gemacht werden.
Erstunterzeichner*innen:
Petra Hoffmann
Autorin, Regisseurin, Produzentin
Vorstandsmitglied Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK)
Julia Beerhold
Schauspielerin
Vorstandsmitglied Bundesverband Schauspiel (BFFS)
Petra L. Schmitz
Leiterin dfi-Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NW
Gudrun Lehmann
Musikerin, Komponistin, Kulturmanagerin
Film Sound Hamburg, WIFT Germany
Susanne Foidl
Schnittmeisterin, Gleichstellungsbeauftragte der Filmuniversität Babelsberg,
Babelsberger Salon
Silke Johanna Räbiger
Festivalleiterin
Internationales Frauenfilmfestival Dortmund | Köln e.V.
i. A. Christiane Büchner
Regisseurin
LaDOC Frauen – Film – Netzwerk Köln
Barbara Teufel
Regisseurin, Drehbuchautorin
Pro Quote Regie – Zusammenschluss von Regisseurinnen in Deutschland
Cornelia Köhler
Autorin
Vorstandsmitglied WIFT Germany
Stephanie Hardt
Bildgestalterin, Professorin an der ifs, internationale filmschule köln
cinematographersxx.de – Zusammenschluss der Bildgestalterinnen (in Gründung)
Birgit Guðjónsdóttir
Bildgestalterin (bvk), Professorin an der Hochschule für Film und Fernsehen, Konrad Wolf‘
Potsdam-Babelsberg
cinematographersxx.de – Zusammenschluss der Bildgestalterinnen (in Gründung)
Elfriede Schmitt
Kulturmanagerin
Projektleitung LaDOC Lectures, Köln
Bildnachweis: © Christiane Büchner
Datum
Sonntag, 24. September 2017